Philipp Blom über alte Geigen
Deutschlandfunk - 26.11.2018 - Jochen Hubmacher
Meisterinstrumente wie Stradivaris oder Guarneris seien für viele Musiker faszinierend, so der Historiker Philipp Blom im Dlf. Solisten würden in ihren Lebenslauf schreiben, wenn sie eine dieser Geigen spielten. Aber sei das Instrument auch noch so alt – letztendlich käme es auf die Künstler an, gute Musik zu machen.
Stradivari, Amati, Guarneri – das sind die Namen, die bei Geigern den Puls und bei Auktionen die Preise in die Höhe schießen lassen. Die Herkunft der Geige des Historikers und Schriftstellers Philipp Blom ist nicht genau geklärt. Aber sie spielt die Hauptrolle in seinem neuen Buch „Eine italienische Reise – Auf den Spuren des Auswanderers, der vor 300 Jahren meine Geige baute“.
Seine Geige sei auch der Anlass gewesen, dieses Buch zu schreiben, erzählte Philipp Blom. „Es ist ein Instrument, das mich fasziniert hat, seitdem ich es gefunden habe“. Sie sei um 1700 in Italien von einem Deutschen gebaut worden. Er habe sich die Frage gestellt, wer der Geigenbauer gewesen sein könnte, wie sein Leben wohl ausgesehen habe, warum er wohl ausgewandert sei. Daraufhin habe er recherchiert.
Im süddeutschen Füssen hätten Bauern schon seit Jahrhunderten Teile für Lauten produziert, die dann in Italien zu fertigen Instrumenten zusammengebaut worden seien. Nach dem 30-jährigen Krieg sei Füssen eine Geisterstadt gewesen, so wie Syrien heute. Viele Bauern hätten die Stadt verlassen, darunter auch der Hersteller seiner Geige. Er sei nach Italien ausgewandert.
„Fetischistische Logik“
„Geigenbauer waren damals so wie Schuster oder Schneider, das waren kleine Handwerker“, so Blom. Ein deutscher Handwerker habe damals als Einwanderer in Italien mit ähnlichen Vorurteilen zu kämpfen gehabt wie ein Einwanderer heute. Man habe in Italien damals alle Deutschen für heimliche Terroristen gehalten, die den Irrglauben des Protestantismus verbreiten wollten. Jeder Deutsche habe damit rechnen müssen, vor die Inquisition gezerrt zu werden. Andererseits hätten die Geigenbauer auch Kontakte zu Künstlern und Musikern gepflegt. Ihre Arbeit habe also auch mit Hochkultur zusammengehangen.
Die Stradivaris, Guarneris und Amatis dieser Welt seien „sicherlich Fetischobjekte unseres Musikbetriebs.“ Das merke man daran, dass Solisten in ihrem Lebenslauf schreiben müsse, dass sie „die Stradivari oder Guarneri von soundso spielen.“ Dabei gebe es auch ganz tolle moderne Instrumente. „Aber ich hatte das Glück, viele dieser alten Meisterinstrumente zu spielen und manche dieser Instrumente sind wirklich ganz großartig.“ Letztendlich käme es aber auf den Musiker oder die Musikerin an, Musik zu machen, statt auf ein Instrument – sei es auch noch so alt.
„Mich hat der Gedanke fasziniert, ich spiele hier ein Instrument und lege meine Hände dahin, wo vor 300 Jahren die Hände eines anderen Menschen lagen. Da ist man natürlich gleich in einer so fetischistischen Logik, dass man glaubt, dieses Stück Holz habe noch etwas zu tun mit dieser Person – dass noch etwas von dieser Person dadurch spricht.“
» Gesamten Beitrag anhören: https://www.deutschlandfunk.de
Foto: dpa / picture-alliance / Arno Burgi